Heineken setzt mit dem Self-Assessment “The Interview” ein Ausrufezeichen – zumindest gestalterisch

Ob man es nun FitMatch oder Passung nennt ist eigentlich wurscht.

Denn dass es bei der Personalgewinnung darum geht, möglichst diejenigen Personen anzuziehen, zu identifizieren und letztlich zu rekrutieren, die sowohl die fachlichen Fähigkeiten mitbringen als auch ansonsten möglichst gut mit dem Unternehmen harmonieren, ist letztlich eine Binsenweisheit.

Auch die Erkenntnis, dass man diesen Prozess des “Zueinanderfindens” sehr gut durch Self-Assessment Verfahren unterstützen kann, setzt sich offenkundig auch in immer mehr Personaler-Köpfen durch. Wir sehen das an unserer eigenen Auftragslage in diesem Bereich.

Aber mir laufen auch ständig Beispiele über den Weg, die nicht von uns sind, die ich aber dennoch für berichtenswert halte… ;-)

Ein solches ist “The Interview”, das der Brauerei-Multi Heineken als zentralen Baustein seiner neuen Employer Branding Kampagne “GoPlaces” verbaut hat. Dieses Self-Assessment setzt definitiv Zeichen, wenn auch – dazu am Ende mehr – mehr oder weniger nur gestalterisch.

Doch der Reihe nach: Wie funktioniert “The Interview”?

Nachdem man auf der Karriere-Microsite GoPlaces den für einen Anbieter alkoholischer Getränke obligatorischen Alterscheck überwunden hat, öffnet sich die Applikation.

Diese pumpt erst einmal beträchtliche Datenmengen und braucht selbst an einer schnellen Leitung einen kleinen Moment, um vollständig zu laden. Zudem – sofern man sie im Portrait-Modus mit einem mobilen Endgerät öffnet – wird man gezwungen, das Gerät zu kippen. Die Seite funktioniert nur im Landscape-Modus.

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Naja, unter Gesichtspunkten der mobilen Nutzung beides nicht ideal, aber für das was dann folgt wohl unvermeidlich…

Wir starten “The Interview”…

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…und werden von einem – sagen wir mal – sehr smarten Herren undefinierbaren Alters begrüßt. Dieser nimmt uns a. mit auf eine Reise durchs Unternehmen, vor allem aber b. er führt uns durchs “Interview” – das eigentliche Self-Assessment. Alles Video, alles höchst professionell dargestellt, gefilmt und äußerst ansprechend medial umgesetzt.

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Das Versprechen von “The Interview”: Herausfinden, wer man selber ist und natürlich ob und wie gut man zu Heineken passt.

Matching…

Der Protagonist stellt uns im nun folgenden verschiedenste Fragen, allesamt nach dem “Entweder-Oder”-Prinzip (sog. Forced Choice).

Zum Beispiel:

A. Bist du eher weltberühmt? oder B. Hast du eher starke Wurzeln?

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Oder:

A. Wählst du eher das Überraschungs-Menü? oder B. Wählst du das klassische Gericht?

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Diese Fragen sind immer wieder unterbrochen durch Sequenzen, in denen man etwas über das Unternehmen erfährt.

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Die gestellten Fragen wirken hier und da durchaus so, als würden sie auf psychologische Konstrukte referenzieren (mir sieht das ein wenig nach der eher umstrittenen Enneagram Typologie aus)…

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Für eine im diagnostischen Sinne saubere Messung sind es aber insgesamt deutlich zu wenige Fragen. Auch wird das Antwortverhalten durch die Art der Darstellung sicherlich erheblich beeinflusst (man sagt “moderiert”). Und sicherlich ist die saubere Testkonstruktion mit dieser Art Fragestellung unheimlich schwierig, weil man hier soz. zwei Pole einer Skala zur Auswahl anbietet, die unter Umständen gar keine Gegensätze sind (siehe oben Harte Arbeit vs. Humor…).

Aber eine saubere diagnostische Messung ist ohnehin in aller Regel nicht das vordringliche Ziel von Self-Assessments. Vielmehr geht es um Tendenzaussagen und Orientierung sowie um Information darüber, mit was für einem Arbeitgeber man es überhaupt zu tun hat.

Und das wird bei “The Interview” sowohl dadurch erreicht, dass die Fragen selber oft in Unternehmenskontext eingepackt sind als auch durch die Marketingpassagen zwischendurch. Man erfährt dabei quasi en passant einiges über die vielfältigen (internationalen) Karrierewege im Konzern (daher wohl auch der Name der Kampagne “GoPlaces”).

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Am Ende – ca. 10 Minuten später – bekommt man dann sein Ergebnis präsentiert. Es gibt eine Reihe von Typen, von denen man immer den (vermeintlich) dominierenden prominent und weitere – von denen man ebenfalls Wesensmerkmale hat (haben soll?) – etwas kleiner angezeigt bekommt.

Wieviele Typen es gibt, weiß ich nicht (bei einem Enneagram wären es logischerweise neun…) aber bei mehreren Testdurchläufen mit unterschiedlichem Antwortverhalten wurde mir durchaus schon eine ganze Reihe gezeigt, vom Initiator bis zum High-Flyer

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Man kann sein Ergebnis dann über verschiedene Social Media Kanäle teilen, wobei das zumindest bei meinem Test nur bei Facebook halbwegs vernünftig umgesetzt wurde. Eine Peer-Rating-Funktion, wie sie etwa der preisgekrönte Ausbildungsfinder vom BAVC bietet, hat “TheInterview” allerdings nicht. Naja, da muss man ja auch erstmal drauf kommen… ;-)

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Fazit:

Soweit muss ich sagen ist “TheInterview” wirklich bemerkenswert. Hier hat Heineken offenkundig mächtig tief in die Tasche gegriffen und ein in Bezug auf interaktiven Bewegtbildcontent im besten Sinne zeichensetzendes Self-Assessment geschaffen. Man kann also sagen: Überragende B-Note…

Deutliche Abzüge bekommt “The Interview” bei mir aber inhaltlich bzw. hinsichtlich dessen, was ein Self-Assessment diesen Typs eigentlich leisten soll.

Auf der Ergebnisseite steht nämlich “Apply to Jobs via LinkedIn”. Was denkt sich der unbedarfte User also nachdem er rund 10 Minuten einen (zugegeben sensationell verpackten) Fragebogen ausgefüllt hat da? Genau: Dass man bei Betätigung dieses Buttons erstens Jobs angezeigt bekommt, die zu dem Testergebnis passen. Und zweitens, dass man sich auf diese dann unter Bezugnahme auf das eigene Testergebnis auch bewerben kann.

Genau das passiert aber nicht.

Man wird auf die LinkedIn-Seite von Heineken gelenkt. Punkt. Dieser kann man dann “followen” und man kann darüber auch offene Jobs im Konzern finden. Aber wie gesagt: Das ganze hat dann keinerlei Bezug mehr zu “TheInterview” und dem darin erzielten Ergebnis.

Die Chance, ein Self-Assessment gezielt zur Verbesserung der Passung einzusetzen, indem passende Kandidaten mit passenden Jobs zusammengeführt werden, verstreicht vollkommen ungenutzt.

Hier wäre etwas weniger Multimedia-Feuerwerk im Frontend und etwas mehr Mühe beim Matching von Testergebnis und offenen Stellen sicherlich angebracht gewesen. Wie das sehr einfach aber effektiv geht, zeigt etwa das Deloitte Job-Matching, wo man nach Beantwortung einiger weniger Fragen so gezielt in der Stellenbörse abgeworfen wird, dass man nur noch passende Stellen angezeigt bekommt.

In der A-Note muss ich “TheInterview” daher doch einiges abziehen. Leider.

Aber vielleicht sehe ich es auch zu eng. Probiert´s einfach mal aus und macht Euch euer eigenes Bild. Und wenn Ihr Euch ein eigenes Self-Assessment bauen lassen wollt, ruft an… ;-)

4 Gedanken zu „Heineken setzt mit dem Self-Assessment “The Interview” ein Ausrufezeichen – zumindest gestalterisch

  1. Hi Jo,

    schöner Beitrag. Als ich das Self-Assessment (wenn man es so nennen mag) gesehen habe, dachte ich, dass du unbedingt das Thema mal eignungsdiagnostisch betrachten must :-)

    Aber bei dem einen oder anderen Punkt habe ich eine andere Meinung als du. Ich sehe im Nachhinein die Kampagne nicht als Selfassessment. Ich sehe es als Marketing-Instrument – denn bei einem Selfassessment müsste im Zweifel ja auch das Ergebnis kommen können, dass man nicht oder weniger stark zu Heineken passt.

    Am Ende des Tages schafft die Kampagne das, was sie soll. Sie motiviert die Bewerber das zu tun, was das Unternehmen möchte: sich zu bewerben. Und die Kampagne schafft es unglaublich kurzweilig zu wirken. Als du von einem 10 Minuten Test geschrieben hast, habe ich mich gewundert, denn es kam mir viiiiiiiel kürzer vor – im besten Sinne des Wortes.

    VG
    Tim

  2. Hallo Tim,

    ja, so sehe ich es auch. TheInterview hätte ein SelfAssessment sein können, so viel fehlt eigentlich auch gar nicht, aber in der vorliegenden Form ist es tatsächlich ein sehr ansprechend verpackter “Reflektionsanlass” aka Marketinginstrument.

    Ich hätte mir noch gewünscht, dass man den letzten Meter (= die Übersetzung des Ergebnisses für den User in Bezug auf “ob man passt” und “wenn ja, worauf”, also das Matching) auch noch geht. Dann wäre es tatsächlich ganz ganz weit vorn (gewesen).

    VLG
    Jo

  3. Was du im Artikel beschreibst, ist mir auch sehr aufgefallen, als ich die Kampagne ausprobiert hatte – ich habe mir zumindest ein Matching mit meinen Ergebnissen gewünscht bzw. IRGENDEINEN Bezug zu “The Interview”, wenn ich anschließend auf eine Job-Seite geleitet werde und mich bewerben soll.

    Dennoch sehr nette Spielerei und sicherlich eine tolle Möglichkeit, auf Heineken als Arbeitgeber aufmerksam zu machen!

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