´Casting´ statt klassischer Bewerbung plus Vorstellungsgespräch

Fast könnte man meinen, ich schreibe an einer Artikelreihe mit der Überschrift “Wie es der klassischen Bewerbung an den Kragen geht…”:

“Projectbooks” statt Lebensläufe, Selfie-Videos statt Anschreiben, Online-Assessments statt Pen&Paper-Tests und auch dem guten (?) alten Zeugnis geht es an den Kragen

Und nun: “Casting” statt Bewerbung plus Vorstellungsgespräch.

Casting_meandall_Startseite

So zumindest lässt es die Hotelkette Lindner verlautbaren, die für die Rekrutierung neuer Mitarbeiter ihrer Zweitmarke “me and all hotels” auf Events statt auf herkömmliche Auswahl setzt.

Bei den Hotels der Marke “me and all” handelt es sich um Hotels, die irgendwo zwischen stylischem Design-Hotel mit Verbundenheit zum lokalen Kiez und Co-Working-Space angesiedelt sein werden. Folglich bezeichnet man dort “Mitarbeiter” auch nicht nur als Mitarbeiter, sondern als Explorer

“Sie sind Explorer, die mit ihrer ganz eigenen Persönlichkeit den Charme unserer neuen Boutique-Marke ausmachen. Feel happy. Be yourself. Wir schaffen eine Atmosphäre, die unsere Explorer und Gäste ermutigt, sich wahrhaft zu verbinden. Mühelos, authentisch und inspirierend.”

Für das Recruiting – man mag es in diesem Zusammenhang beinahe schon gar nicht mehr so nennen, also sagen wir mal: für das Staffing – des ersten me and all Hauses in Düsseldorf findet am 02. Juni nun der “CastingDay” statt, für das man sich jetzt über die Website http://www.casting-meandallhotel.de/me-and-all/casting/ bewerben kann. Gesucht: Explorer und Explorer on Duty, Hotelfachkräfte und Quereinsteiger.

Casting_meandall_Explorer

Dabei wird immer wieder betont, dass “Persönlichkeit vor Ausbildung” geht. Was genau damit gemeint ist, wird nicht konkret ausgeführt, aber man kann sich das so ungefähr aus dem Kontext schließen, mit dem die Hotelmarke an sich beschrieben wird: Weniger servil, eher hipster, Barista statt Liftboy, flexibel, innovativ, kreativ, neugierig, mutig und so…

Casting_meandall_Persönlichkeit_vor_Ausbildung

“Beim me and all Casting lernen wir uns persönlich kennen. In kleinen Workshops und Gesprächen kannst Du uns zeigen, was Dich ausmacht und ob das ExplorerGen in Dir steckt. Keine Angst, Du musst weder Singen, noch Tanzen! Das gegenseitige Kennenlernen in angenehmer, kreativer Atmosphäre steht im Vordergrund. Schließlich wollen wir ja nicht nur Dich kennenlernen, sondern Du ja auch uns.”

Da man aber eben nicht so genau definiert oder definieren kann, nach welchen Kandidaten man denn nun so genau gesucht wird, verlagert man die Auswahl dann wohl auch in das hier “Casting” genannte, also offenbar weniger strukturierte beobachtungsbasierte Auswahlverfahren.

Das Casting setzt sich dann zusammen aus Workshops und Gesprächen in lockerer Atmosphäre. Und – das finde ich sehr begrüßenswert – es wird betont, dass es dabei um gegenseitiges Kennenlernen geht. Sprich: Auch das Unternehmen betrachtet das Casting als “Vorstellungstermin” beim Bewerber… Ich finde zwar, dass Casting dann nicht mehr so richtig der passende Begriff ist, geht es doch bei einem Casting in der Tat eher um eine einseitige Bewertung und Auswahl, aber sei es drum – es “Dating” zu nennen, hat man sich wohl doch nicht getraut…

Die Bewerbung für das Casting erfolgt dann entweder per E-Mail oder über ein recht überschaubares Online-Formular, was eigentlich kein wirkliches Formular ist, sondern eher dem Kommentarfeld eines Blogs ähnelt. Also: Niedrigschwellig. Verlangt werden “vollständige” Bewerbungsunterlagen (was auch immer das heißt… vielleicht ist man hier dann doch wieder eher klassisch unterwegs von wegen Lebenslauf, Anschreiben, Zeugnisse und so), man wird aber auch explizit darauf hingewiesen, dass man auch ein Vorstellungsvideo mitschicken (oder per Download-Link verfügbar machen) kann.

Insb. letzteres passt dann doch wieder sehr gut zum Begriff “Casting”.

Ob ansonsten hier nicht doch wieder nur alter Wein (“Auswahltag”) in einen neuen Schlauch (“Casting”) gefüllt wurde, nun das werden dann wahrscheinlich nur die Kandidaten am 2. Juni wirklich beurteilen können.

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