Club der Gleichen: ´Mehr Mut zur Unterscheidung!´ Woran es im Employer Branding oft mangelt… Gastbeitrag von Manfred Böcker und Sascha Theisen

Ich kann mich noch ganz gut erinnern, dass irgendwann so um die Mitte des letzten Jahrzehnts der Begriff “Employer Branding” aufkam und mehr oder weniger rasant das gute alte “Personalmarketing” aus dem Sprachschatz verdrängte.

Mir erschien das damals suspekt, weil für mich im Begriff “Marketing” immer schon auch eine strategische, eine Positionierungs-Komponente steckte. Marketing war so dachte ich (und so denke ich auch noch immer) eigentlich schon immer mehr als das Schalten von Werbung.

So stand für mich immer ein wenig der Verdacht des “Alten Weins in neuen Schläuchen” im Raum, wenn auf einmal alle nur noch von Branding statt von Marketing sprachen.

Nun, ich habe über die Jahre meinen Frieden mit dem Begriff Employer Branding” gemacht, weil damit zumindest begrifflich die Chance bestand, dass man das eine – die “eindeutige (strategische) Profilierung und Positionierung der Arbeitgebermarke” – und das andere – die “(operative) Schaltung von Stellen- und/oder Image-Anzeigen” – voneinander abgrenzen konnte.

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Das Problem indes: Das bringt natürlich nichts, wenn Branding am Ende eben nicht zur Differenzierung, zur “eindeutigen Positionierung” der jeweiligen Arbeitgebermarke INKLUSIVE der Abgrenzung und Unterscheidung von anderen Arbeitgebermarken, führt.

Denn DAS ist Sinn und Idee des Brandings… Wenn ein Viehbesitzer seinem Tierbestand ein Brandzeichen verpasst (ein “Branding”), dann dient dieses dem Zweck, dass man die eigenen Tiere von denen anderer Viehbesitzer unterscheiden kann. Man spricht hier nicht umsonst von “brandmarken”… Wenn alle das gleiche oder zum Verwechseln ähnliche Brandzeichen verwendeten, dann wäre der Sinn ad absurdum geführt…

Und so stellt sich heute aus unserer Erfahrung oftmals die Situation wie folgt dar:

„Alle rufen nach Marke, nach Branding, aber keiner traut sich zur Differenzierung (obwohl das ja der Kern von Branding und Marke ist). Uns begegnet es auch allzu oft, dass es heißt: Seien wir mal „anders“! Im konkreten heißt es aber zumeist: „Aber nicht sooo anders!“…

Hierbei muss man den Unternehmen, speziell den größeren, sicherlich zu Gute halten, dass es sich um heterogene Gebilde handelt und dass es a. oft gar nicht so einfach ist, trennscharf die Unterschiede zu anderen Unternehmen zu erfassen und dann auch kommunizierbar zu bekommen (ein Grund für die Entwicklung des Kulturmatchers, der je eben genau dazu verwendet werden kann, unternehmenskulturelle Merkmal zu quantifizieren…) sowie b. oftmals der Mut einzelner (etwa aufgeklärten Employer Brandern, die sich trauen, wirkliche Unterschiede zu benennen) auch nicht honoriert wird oder für diese nicht unbedingt karriereförderlich ist…

Ich glaube zwar, dass die Dinge sich sukzessive auch verändern und verbessern, weil die Einsicht sich in kleinen Dosen durchsetzt, dass man langfristig nur dann passende Bewerber anziehen und binden kann, wenn man klar macht, was denn “passend” ist. Aber das Brett des Brandings ist ein dickes…

Vor diesem Hintergrund stolperte ich letzte Woche über das Whitepaper “Club der Gleichen – Employer Telling: was Arbeitgeber aktuell wirklich zu sagen haben” der beiden HR-PR-Profis Manfred Böcker und Sascha Theisen.

Diese haben sich einmal die öffentliche Karriere-Kommunikation der 30 DAX Unternehmen vorgenommen und dabei den oben beschriebenen Trend zur Uniformität (und eben nicht Differenzierung…) mit vielen Beispielen belegt.

Ich habe daraufhin Manfred Böcker, den ich schon seit Urzeiten kenne seit er zu Dot-Com-Zeiten die Plattform e-fellows mit aus der Taufe hob, gefragt, ob sie nicht Lust hätten, uns die Quintessenz dieses Whitepapers hier im Rahmen eines Gastartikels zusammenzufassen. Nun, gefragt, gesagt, getan. Hier ist eben selbiger…

Manfred, Sascha, Eure Bühne…

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Der Club der Gleichen – Mehr Mut zur Unterscheidung…

Recht amüsant ist es, alle Jahre wieder die Beispiele aus der Schreckenskammer der aktuellen Arbeitgeberkommunikation zu betrachten, für die es eine „Goldene Runkelrübe“ gibt. Doch trifft die Häme mit großer Vorhersehbarkeit vorrangig die Sparkasse in Hintertupfingen oder ahnungslose Arbeitgeber aus dem Öffentlichen Dienst. Was aber ist mit denjenigen Unternehmen, die in der Regel im Employer Branding weder mit winzigen Budgets noch mit fehlenden personellen Kapazitäten in den HR-Abteilungen zu kämpfen haben? Wir haben einen genaueren Blick auf die Karrierewebsites der DAX-30-Unternehmen geworfen. Dabei ging es uns um einen Blick auf die Frage, was Employer Branding als Differenzierungstechnik nach zehn Jahren wirklich bewirkt hat – gerade bei den ganz Großen.

In unserem aktuellen Whitepaper „Club der Gleichen“ geht es unter anderem um Sprach- und Argumentationsstrategien sowie die Fähigkeit, sich über prägnante Positionierungsaussagen – dem sogenannten Elevator Pitch – als Arbeitgeber darzustellen. Darüber hinaus haben wir analysiert, inwieweit journalistische Formate und PR-Instrumente in der Arbeitgeberkommunikation genutzt werden, welche Bildwelten zum Einsatz kommen und wie die Zusammenarbeit mit der Presseabteilung funktioniert. Greifen wir uns heute einmal drei Aspekte heraus.

1. Sprach- und Argumentationsstrategien

Die Personalkommunikation in Deutschland geht auf einem Bein. Die Akteure in den Unternehmen sind ebenso werblich getrieben wie ihre Berater und Agenturen, als PR-Berater mit Schwerpunkt HR sind wir in Deutschland so selten wie Warane in der Kölner Innenstadt. Der tiefe Glaube der Community an die wohltuende Wirkung von Claims, Werbesprüchen, Hochglanzbildern, Reklamefilmchen und „die neue Kampagne“ lässt wenig Raum für PR-Ansätze und die Arbeitgeberkommunikation als kommunikativem Dauersport. Das schlägt sich im Tonfall der Karrierewebsites nieder. Statt eines faktisch- berichtenden oder erzählenden Stils dominiert klassisches Reklamedeutsch mit seiner Anhäufung der immer gleichen Adjektive. Die Unternehmen sind „führend“, die Produkte „erfolgreich“, ihre Visionen „klar“ und „eindeutig“. Es herrscht „akute gleichförmige Adjektivitis“:

„Willkommen bei der Allianz, einem der führenden Finanzdienstleister weltweit.
In unserem Heimatmarkt Deutschland sind wir Marktführer für Versicherungen, und mit erfolgreichen Produkten rund um Vorsorge und Vermögen erweitern wir unsere Position kontinuierlich.“
Allianz

„Unsere Vision ist klar und eindeutig: Wir wollen die führende kundenorientierte globale Universalbank sein. Auf diesem Weg können wir klugen und wachen Köpfen außergewöhnliche Chancen bieten: Menschen mit Verstand, Leidenschaft und Ideen, die positiv auf Herausforderungen zugehen und so wirklichen
Mehrwert schaffen.“
Deutsche Bank

Bei ThyssenKrupp heißt es im Begrüßungsabsatz unter dem Menüpunkt „Ihre Zukunft
bei ThyssenKrupp“ gar, das Unternehmen

„besticht durch innovative Prozesse, kreative Produkte und Zielstrebigkeit“.

Was würden Arbeitgeber von einem Bewerber halten, der einen ähnlichen Satz in einem Anschreiben verwendet („Ich besteche durch Kreativität und Zielstrebigkeit“)?

Einstiegspunkt der Argumentation sind in den meisten Fällen die Unternehmen, nicht
die angesprochenen Bewerber. Dabei sind die Textpassagen bisweilen kaum von Produktwerbung zu unterscheiden. Offensichtlich hat sich das Employer Branding-Mantra, demzufolge sich die „Employer Brand“ möglichst eng an der Unternehmensmarke auszurichten habe, dahingehend ausgewirkt, dass einige Unternehmen in vielen Textpassagen kaum zwischen Kunden- und Bewerberansprache differenzieren und so den Eindruck erwecken, sie wollten Jobkandidaten Hautcreme verkaufen:

„Seit mehr als 130 Jahren verhelfen wir Menschen zu einem jüngeren, frischeren und gesünderen Aussehen: mit immer neuen Produktinnovationen, die von uns erforscht, entwickelt, produziert und vermarktet werden. Doch hinter jeder Marke, jedem Produkt und jedem Erfolg stehen Menschen, die mit Leidenschaft und Unternehmergeist unseren Anspruch unterstützen, das globale Hautpflegeunternehmen Nr. 1 zu sein.“
Beiersdorf

„Leidenschaft“ bei den Mitarbeitern ist übrigens nicht nur ein „Alleinstellungsmerkmal“ einzelner DAX-30-Arbeitgeber: Damit geht branchenübergreifend eine ganze Reihe von Unternehmen an den Talentmarkt. Wie oben gesehen neben der Deutschen Bank auch etwa Henkel („Mit Leidenschaft und Freude gestalten wir als globales Team erfolgreich den Markt“) oder Adidas („Leidenschaft ist das, was uns verbindet“). Bei BMW fängt „mit Leidenschaft“ sogar „alles an“.

2. Elevator Pitch für Arbeitgeber

Besonders beim „Elevator Pitch“ fällt der mangelhafte Wille zur Differenzierung auf. Viele große Unternehmen haben eine solche Kurzpräsentation als Arbeitgeber mittlerweile auf ihren Karrierewebsites integriert. Aus gutem Grund: Laut einer aktuellen Umfrage der Recruitingplattform softgarden finden rund 96 Prozent der Bewerber eine solche Kurzfassung der eigenen Attraktivität „sinnvoll“ oder „sehr sinnvoll“, Karrierewebsites stellen mittlerweile eben schon umfassende Informationsangebote dar. Da ist eine Kurzfassung willkommen.

Nur: der Elevator Pitch ist in den meisten Fällen keiner, sondern nur eine weitgehend austauschbare Ansammlung von Hygienefaktoren, eben ein Sammelsurium dessen, von dem Employer Branding-Verantwortliche heute glauben, was Kandidaten von einem großen Arbeitgeber hören wollen. In den Textpassagen, die fast alle untersuchten Unternehmen als „Warum wir“ auf ihrer Karrierewebseite kennzeichnen, fällt dementsprechend ein Wording auf, das sich kontinuierlich wiederholt:

  • E.ON etwa bietet seinen Kandidaten „ein breites Spektrum möglicher Aufgabengebiete“ und „Menschen, die über den Tellerrand hinausschauen wollen, ebenfalls herausragende Karriereperspektiven“.
  • RWE zieht hier kommunikativ nach und stellt seinerseits „aussichtsreiche berufliche Perspektiven und herausfordernde Aufgaben“ in den Mittelpunkt.
  • Auch Infineon schlägt in diese Kerbe und nennt in seinem Elevator Pitch „erstklassige Karrierechancen und Möglichkeiten zur Weiterbildung“.
  • In das allgemeine Wording bei gleicher Aussage verfällt dagegen BASF: „Unsere vielfältigen Karrieremöglichkeiten sind ein Wettbewerbsvorteil und machen uns attraktiv für die besten Experten und Fachkräfte.“

Diese Liste könnte man unbegrenzt fortsetzen – etwa mit Begriffen wie „spannende Aufgabenfelder“, „gelebte Vielfalt“, „vertrauensvolle Partnerschaft“, „innovative Ideen“ oder „begeisterte Mitarbeiter“ – Begrifflichkeiten, die die DAX-30-Arbeitgeber eher zu einem „Club der Gleichen“ machen.

Natürlich könnten die so kommunizierenden Arbeitgeber auf die Notwendigkeit solcher „Hygienefaktoren“ im Arbeitgeberauftritt verweisen. Allerdings stellt sich die Frage, ob man Kandidaten wirklich so überzeugt. Premiummarken wie BMW, Porsche oder Audi etwa würden ihre Fahrzeuge sicher nicht mit Adjektiven wie „fahrbereit ab Werk“ oder „verlässlich auch auf Langstrecke“ und „100 Prozent wasserdicht“ von Wettbewerbern abgrenzen.

3. Journalistische Formate

Im Unterschied zu den ersten Gehversuchen im Personalmarketing von einst haben mit der Employer Branding-Welle erzählerische Stilmittel und Mitarbeiterstimmen in die Arbeitgeberkommunikation der Großen Einzug gehalten. Statements, Interviews oder Video-Testimonials sind bei den meisten DAX-30-Unternehmen mittlerweile Standard.

Allerdings lässt die inhaltliche und handwerkliche Qualität oft zu wünschen übrig. Mitarbeiter sind eigentlich die glaubwürdigsten Kronzeugen für die Qualität eines Arbeitgebers. BASF nutzt diese Tatsache, indem es Bewerbern unter dem Navigationspunkt „Connected Minds“ auf der Karrierewebsite die Möglichkeit bietet, direkt online zu Mitarbeitern Kontakt aufzunehmen:

„Wir wissen, dass manchmal ein einziges Gespräch mit einem Mitarbeiter weit mehr über ein Unternehmen aussagt als jede Website. Treffen Sie unsere Mitarbeiter im Chat….“
BASF

Wohl wahr: Die beste Form ist dieser direkte Dialog. Formate, die Teil eines solchen Dialogs sein könnten, erfüllen ebenfalls ihren Zweck. Nicht aber die Nutzung von Mitarbeitern als leblose Gefäße für austauschbare Werbefloskeln. Hier ein paar Beispiele:

„Das Thema Gleichstellung ist hier selbstredend“
RWE

„Mein Arbeitgeber legt Wert auf überdurchschnittlich talentierte Mitarbeiter – das sorgt für ein unglaublich inspirierendes Arbeitsumfeld“
Deutsche Bank

„Die Ausbildung ist vielseitig und ich habe das Gefühl, gut gefördert und vor allem auch gefordert zu werden.“
BASF

Wer derart tief in die Trickkiste der HR-Kalauer greift und sie den eigenen Mitarbeitern in den Mund legt, wertet Mitarbeiter zu Testimonial-Handpuppen ab. Vielfach bleiben auch die mittlerweile doch häufiger eingesetzten Interviews auf halber Strecke stehen. Die eigentlichen interessanten Fragen werden nicht gestellt – oder nicht beantwortet.

Besonders schwer tun sich nach unserem Eindruck Arbeitgeber mit der Darstellung der Arbeitsinhalte, einer der wichtigsten Treiber für die Attraktivität von Arbeitgebern:

Frage: „Können Sie uns ein Beispiel aus Ihrer beruflichen Laufbahn geben, das verdeutlicht, weshalb Ihnen die Arbeit als ITler innerhalb der Allianz Freude bereitet?“
Antwort: „Da gibt es nicht ein spezielles Beispiel. Mir macht die Arbeit grundsätzlich Spaß, weil ich tolle Kollegen und Vorgesetzte sowie ein Netzwerk habe, das in guten und schlechten Zeiten zusammenhält.“
Allianz

Ja, so ist das nun einmal mit den Netzwerken. Die halten so richtig GZ/SZ-mäßig zusammen und die Kollegen sind natürlich „toll“. Wäre es hier aber für die stark umworbene Spezialisten-Zielgruppe der ITler nicht viel interessanter zu erfahren, woran denn die ITler in der Allianz arbeiten?

Uns ist bewusst, dass die Darstellung von Arbeitsinhalten eine Herausforderung darstellt. Das ist nicht das natürliche Spielfeld von HR (trotz jahrelanger Diskussion um die „Businesspartnerschaft“ von HR), zudem gibt es Bedenken und Restriktionen seitens der Unternehmenskommunikation. Dennoch dürfen Arbeitgeber vor dieser Herausforderung nicht kapitulieren. Wer auf der Ebene der Abstraktion verharrt, drückt sich vor der Differenzierung. Differenzierung entsteht vor allem im Konkreten.

Nach dem Employer Branding-Rausch

Unser Fazit: Die kommunikative Umsetzung ist immer auch ein bisschen der operative Kater, der auf den Rausch der Kommunikationsstrategie folgt. Doch selbst wenn man dieses Phänomen in Rechnung stellt, müssen wir anhand des kommunikativen Endergebnisses eine enttäuschende Bilanz des vormaligen Trends Employer Branding ziehen.

Differenzierung, Glaubwürdigkeit, konsistente handwerkliche Qualität? Fehlanzeige.

Die HR-Kommunikation der Großen gilt ja häufig als Best Practice, selbstbewusst schallt es: „Der Mittelstand muss nachholen“. Nach unserer Analyse möchten wir feststellen: Dem Mittelstand ist die kommunikative Praxis der Großen nur eingeschränkt zur Nachahmung zu empfehlen. Das können Sie besser!

Das vollständige White Paper gibt es zum kostenlosen Download unter: www.employer-telling.de

Gastautoren: Dr. Manfred Böcker und Sascha Theisen

4 Gedanken zu „Club der Gleichen: ´Mehr Mut zur Unterscheidung!´ Woran es im Employer Branding oft mangelt… Gastbeitrag von Manfred Böcker und Sascha Theisen

  1. Schöner Artikel, lesenswert und hoffentlich zum Hinterfragen anstiftend…

    Ganz herzliche Grüsse (naja, auch eine Floskel) oder nein, besser und direkter:

    Gute Grüsse

    Jörg Buckmann

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