Einsatz von Big Data zur beruflichen Laufbahnorientierung: XING startet FutureMe

Als wir vor beinahe 15 Jahren den Gründerpreis Multimedia vom damaligen Bundeswirtschaftsminister Werner Müller verliehen bekamen, wurde dies im Wesentlichen damit begründet, dass man es unseren Online-Events wie der Karrierejagd durchs Netz zutraute, in erstens hinreichender Menge und zweitens aussagekräftiger Qualität Profildaten zu generieren, die sich nachfolgend dafür einsetzen ließen, intelligente Matching-Prozesse darauf stattfinden zu lassen.

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(Ich will jetzt nichts über die Mode hören! Das waren ja quasi noch die 90er…)

Damals war natürlich noch nichts von Fingerprint-Technologien, geschweige denn Big Data zu hören. Nein, damals waren Cookies ja noch der heiße Sch…

Wir beschritten seinerzeit erstmals den Weg, Methoden aus der Marktforschung und vor allem der Eignungsdiagnostik einzusetzen (und in Spiele zu verpacken), um damit aussagekräftige Profile zu generieren. Diese sollten dann zum einen dafür verwendet werden, dass personalsuchende/rekrutierende Unternehmen, in diesem Datenpool aktiv nach nach qualifizierten Kandidaten suchen und diese dann streuverlustfrei (oder sagen wir mal -arm) ansprechen können und zum anderen war unsere Idee, dass man auf Basis dieser Informationen ja auch automatisierte Matching-Prozesse ablaufen lassen könne.

Hmm, heute ist Active Sourcing zwar noch kein Mainstream, aber einen Gründerpreis würde man damit wohl auch nicht mehr gewinnen. Und auch Matching ist – ziehe ich mal die Eindrücke meiner beiden Ausflüge letzte Woche zur Pressevorstellung von blicksta in Berlin und zur Jahresausbilder-Tagung des Bundesarbeitgeberverbands der Chemischen Industrie in Mannheim als Maßstab heran – aktueller denn je… Von Gamification ganz zu schweigen…

Tja, waren unsere Ideen wohl vielleicht nicht ganz falsch? Vielleicht nur ein bisschen früh… :-)

Im Zuge der allgemeinen Diskussion um Sinn und Potential von Big Data, also der Analyse großer Datenmengen, um darin Muster zu finden, die sich für alle möglichen kommerziellen Zwecke einsetzen lassen, kommt nun seit einiger Zeit auch einiges an Bewegung in die Frage:

Wie lässt sich Big Data sinnvoll einsetzen, um Rekrutierungs- und Berufswahlprozesse zu verbessern?

Wir haben vor einigen Wochen bereits mehrfach über die Frage sinniert, ob Maschinen evtl. die besseren Recruiter seien und auch, ob sich Informationen, die in sozialen Netzwerken wie Facebook zu finden sind, eigentlich mit Hilfe von Big Data Methoden systematisch zur Verbesserung der Personalgewinnung auswerten lassen.

Und nun kommt auch Bewegung in die Frage des “automatisierten Matchings”…

Vor ein paar Tagen startete XING mit dem Dienst FutureMe nämlich einen sehr spannenden Aufschlag in diese Richtung.

Ich weiß nicht, vielleicht fliegt doch noch irgendwo eine Version unseres ersten Businessplans rum… :-) Kleine Anekdote am Rande: XING Gründer Lars Hinrichs war zu Zeiten der New Economy übrigens Vorstand der Böttcher Hinrichs AG, welche wiederum unsere PR Agentur war…

Doch zurück zu FutureMe.

FutureMe ist eigentlich recht flott erklärt:

XING sitzt auf einem nicht unbeträchtlichen Datenschatz von weltweit etwa 14 Millionen Mitgliedern (davon ca. 7 Millionen im deutschsprachigen Raum), die zwar nicht alle aktiv, aber doch zumindest in aller aller Regel deshalb auf der Plattform unterwegs sind, um sich dort professionell zu präsentieren. Auch wenn XING unbestritten den immensen Vorteil eines “sich selbst pflegenden Adressbuchs” hat, ist man dort doch nicht wirklich aus privaten Zerstreuungs- und oder Entertainmentgründen, sondern aus im weitestens Sinne beruflichen.

Von daher ist es auch auch nur konsequent, wenn sich ein solches Netzwerk den Claim gibt:

For a better working life.

Diesen Claim gilt es mit Leben zu füllen. Die Übernahme von kununu Anfang letzten Jahres passt in diese Strategie, bietet doch ein Arbeitgeberbewertungsportal potentiell Nutzern die Möglichkeit, auf Basis eben jener Arbeitgeberbewertungen besser entscheiden zu können, ob ein Arbeitgeber der richtige für einen ist. Von Glaubwürdigkeitsdiskussionen und ADAC-Fallen fange an dieser Stelle mal nicht wieder an…

Auch FutureMe ist positioniert als “Helfer” zu einem besseren Arbeitsleben. Denn: Es nutzt die in dem XING-Datenschatz enthaltenen Informationen, um mir als Nutzer Orientierung zu bieten.

Dies – stark vereinfacht – nach dem Motto:

Wenn wir wissen, dass viele, die Merkmal A erfüllen, auch Merkmal B erfüllen, dann können wir dir – sofern wir wissen, dass auch du Merkmal A erfüllst – mit höherer Wahrscheinlichkeit unterstellen, dass auch du Merkmal B erfüllst – selbst dann, wenn wir diese Information von dir nicht haben…

Dieses grundlegende Prinzip von Big Data überträgt XING mit FutureMe auf die berufliche Laufbahnorientierung (hey XING, wollt Ihr nicht noch Sponsor der Recruiting2015 werden, die dreht sich um das Thema Orientierung…?)

Der Prototyp (aktuell ist FutureMe noch im beta-Stadium) extrahiert und analysiert wiederkehrende Muster im XING-Netzwerk. Wenn z. B. 500 Personen einen bestimmten Weg von „Software Entwickler“ zum „Software Architekt“ gegangen sind, identifiziert FutureMe das Muster, bewertet dieses und speichert dieses als „validen“ oder „wahrscheinlichen“ Weg ab. Eine ausreichende Menge an Daten ermöglicht dabei die Abbildung eines Karrierewegs. Auf diese Weise sind über 2.300 Job-Profile entstanden – vom Manager bis zum Segellehrer…

Diese Muster werden innerhalb von FutureMe visualisiert, was mich – rein optisch (und funktional eigentlich auch) – sehr an die Verhaltensfluss- oder Clickpfad-Analyse erinnert hat, wie man sie aus Trackingtools wie Google Analytics kennt.

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Diese Informationen kann ich dabei nun auf mich persönlich beziehen (z.B. indem ich konkret die Datenbank nach meinem Beruf befrage) oder ich kann gezielt nach Berufsbildern suchen, zu denen mich interessiert…

  • wie man dahin kommt oder was man “damit werden” kann
  • was man in dem Beruf so verdient
  • welche Karrierestufe man in diesem Beruf typischerweise hat
  • in Unternehmen welcher Größenordnung man damit zumeist tätig ist
  • wo geografisch man diesen Beruf besonders häufig antrifft
  • was es sonst noch so an artverwandten Berufen gibt

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Fazit

Nein. Dafür ist es eigentlich noch zu früh.

Ich finde den Aufschlag von FutureMe – so simpel er dem Prinzip nach auch ist – ziemlich verheißungsvoll. Die Geschichte ist recht schnell erzählt, aber – so ist das bei Big Data – der eigentliche Wumms sitzt unter der Oberfläche, in der Qualität der Daten und vor allem den Algorithmen, diesen Daten echt “mehrwertige” Informationen zu entlocken. Ein Datenschatz von mehreren Millionen zumeist recht akkurat gepflegten und aktualisierten beruflichen Profilen (Betonung auf beruflich, denn als solches können Facebook-Daten nämlich eben nicht gesehen werden), bietet hier nahezu unbegrenzte Möglichkeiten.

Mir würden da noch ganz andere Dinge einfallen als typische Karrierepfade oder vergleichbare Gehaltsgefüge. Aber das behalte ich mal erstmal für mich. XING kann ja mal fragen. Vielleicht bringe ich dann auch mal unseren alten Businessplan mit…

P.S.: FutureMe kann man übrigens hier ausprobieren (natürlich kostenlos). Man muss aber bei XING registriert sein (denn heute bezahlt man mit Daten…).

P.P.S.: Nein, ich glaube nicht, dass Tools wie FutureMe auf Sicht das Zeug haben werden, persönliche Karriereberatung durch Coaches zu ersetzen. Aber sinnvoll ergänzen unter Umständen sicher…

3 Gedanken zu „Einsatz von Big Data zur beruflichen Laufbahnorientierung: XING startet FutureMe

  1. Ich halte es für schwierig. Denn erstens sind viele der Daten aus meiner Sicht gerade bei XING geschönt (Positionen werden bewußt falsch angegeben, Jobs länger angegeben als sie wirklich dauerten um Arbeitslosigkeit nicht aufzuzeigen), veraltet (viele Nutzerprofile sind Karteileichen bei XING) und mir fehlt ein wesnetliches Momentum. Das WIE ist doch viel spannender, als generell zu wissen, was die nächste Karrierestufe wäre. Insofern macht FutureMe nur einen kleinen Auszug, und dient aus meiner Sicht dem einfachen Ziel einen Anreiz zu schaffen, damit mehr Leute ihre Daten aktualisieren. Wenn ein solches Matching wirklich rein Rechnerbasiert funktionieren soll, dann benötigt man aus meiner Sicht zur Verifizierung die Daten verschiedener Plattformem (was also ein Anbieter alleine nicht schaffen kann). Insofern ist auch das Risiko hoch (genauso wie bei Gehaltsbenchmarks, oder auch manchmal Bewertungsplattformen), das diese gezielt genutzt werden um statistische Verfahren auszunutzen. Daher immer mein Rat neben einer solchen schnellen Hilfestellung das pers. Gespräch suchen und in den Austausch gehen.

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