MIT entwickelt automatischen Coach, um in Bewerbungsgesprächen besser abzuschneiden

Dass ein gehöriger Anteil der Kommunikation abseits des “inhaltlich Gesagten”, also nonverbal über Gestik, Mimik, Stimmmodulation, Augenkontakt, Pausen, Wortbetonung usw. abläuft, ist hinreichend bekannt. Jeder der zum Beispiel Jobinterviews und Auswahlgespräche durchführt, wird bestätigen können, dass ein substantieller Teil der Beurteilung eines Kandidaten sich später an Aspekten festmacht, die zu sehen und nicht zu hören waren.

Nicht zuletzt deshalb gibt es ja auch eine ganze Coaching-Branche, die Tipps vermittelt, wie man “besser ankommt” – sowohl im Dating-, Vortrags-/Präsentations- und natürlich auch Bewerbungskontext. Da sich immer mehr Bereiche der Personalauswahl automatisieren – so sind bspw. Online-Assessments dabei, sich zum Standard bei der Durchführung von Eignungstests zu entwickeln und auch die Durchführung von Interviews verlagert sich Schritt für Schritt in “Mensch-Maschine-Dialoge” (siehe bspw. Skype-Interviews bei OTTO) – ist es kaum überraschend, dass es nun auch Software-unterstützte Trainingsmethoden gibt, seine nonverbalen Kommunikationsfähigkeiten zu verbessern.

Am Massachusetts Institute of Technology (MIT) wurde eine Software entwickelt, mit der jeder für sich – also ohne einen menschlichen Coach und etwa im privaten Wohnzimmer – üben kann, nonverbal “besser” zu kommunizieren. Und das Tool ist tatsächlich mehr, als eine reine Videoaufzeichung mit ein paar warmen Worten, worauf man denn mal achten sollte. Getreu dem Buchstaben “T” im Namen der Uni, steckt im “Automated Coach” tatsächlich schon eine Menge Technologie…

Alles was man braucht: PC und Webcam und Mikrofon.

Im Kern geht es dabei darum, dass man vorm Bildschirm sitzend einen Dialog mit einem 3D-animierten virtuellen Character führt. Durch die Webcam, die auf den User gerichtet ist, erkennt die Software bspw. Gesten wie Kopfbewegungen (Nicken, Kopfschütteln), Gesichtsausdrücke (wie Lächeln). Darüber hinaus wird auch die Stimme analysiert und zwar nicht nur hinsichtlich des Gesagten (Real-Time Speech Recognition), sondern auch die nonverbalen Nuancen (eine sog. Prosodische Analyse oder Prosodieerkennung)!

Alles wird über den Verlauf des Gesprächs protokolliert und im Anschluss in einer grafisch aufbereiteten Zusammenfassung zurückgemeldet – wann wurde gelächelt, wie schnell wurde gesprochen, wo wurde Augenkontakt gesucht, welche Worte wurden besonders betont? usw. Ferner besteht die Möglichkeit, sich ein Video seines Trainingsgesprächs anzuschauen, bei dem parallel verschiedene gemessene Parameter auf einem Zeitstrahl zu sehen sind.

Über mehrere Trainingssessions kann so auch eine Veränderung an diesen Kommunikationsaspekten aufgezeigt werden.

In einer Studie mit 90 Studierenden wurde anhand simulierter Job-Interviews nachgewiesen, dass diejenigen “Kandidaten”, die durch das virtuelle Trainingscamp mit automatischem Bewerbungscoach gegangen waren, besser in den Interviews abschnitten.

Fazit

Ich habe das Tool selber nicht ausprobiert, von daher kann ich erstmal nur abstrakt sagen, dass ich das Tool und den Ansatz für sehr spannend halte. Ob und wie es tatsächlich funktioniert kann ich selber nicht sagen.

Auch geht es hier natürlich vorerst nicht darum, dass virtuelle Auswahlgespräche zu Auswahlzwecken geführt werden sollen, iSv. “die Maschine beurteilt den Kandidaten”, sondern es handelt sich um einen Coach, es geht um Training!

Aber potentiell liegt der Gedanke, dass eine derartige Technik irgendwann auch einmal zur automatisierten Fremdbeurteilung und -auswahl eingesetzt wird, natürlich so fern nicht. Hier kann ich die typischen Skeptiker schon hören: “Das hat was mit Intuition zu tun! Ob ein Kandidat überzeugend ist, kann ich aufgrund jahrelanger Erfahrung schon besser beurteilen als eine Maschine! Das ist keine Frage der Technik, das kann man nicht so trainieren, dass ich das nicht durchschauen würde!” usw.

Ja, Intuition bzw. die menschliche Fähigkeit, viele Facetten der Kommunikation gleichzeitig wahrnehmen und interpretieren zu können, ist über Tausende von Jahren evolutorisch gewachsen. Die feinen Nuancen, die hier eine Rolle spielen, können Maschinen sicherlich (noch) nicht annähernd vergleichbar analysieren. Aber: Menschen sind eben auch nur Menschen und unterliegen (erheblichen) subjektiven Wahrnehmungsfehlern. Nicht zuletzt deshalb gelten (zumindest unstrukturierte) Job-Interviews auch als Auswahlinstrumente mit sehr überschaubarer prognostischer Validität. Hier objektivierbare Beurteilungskriterien zumindest ergänzend hinzuzuziehen, kann der Validität sicherlich nur gut tun.

Und in diese Richtung kann eine solche Software wie der “Automated Coach” sicherlich auch irgendwann bei der Auswahl helfen.

Es bleibt spannend!

Autor: Jo Diercks

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