Muss Employer Branding “überraschend” sein?

Gestern und heute fand bzw. findet in Frankfurt das HRM-Forum HR-Kommunikation statt. Eine der Thesen des Eröffnungsvortrags durch Dr. Lutz Meyer von der Commarco- (das hieß mal Scholz&Friends) Agentur Blumberry war, dass “gutes Employer Branding” verblüffen müsse. Sonst sei es langweilig und, ergo, eben kein gutes Employer Branding. Als Beispiel für eine gelungene Maßnahme wurde in diesem Zusammenhang auf den Spot “Media Entrepreneurs” verwiesen, den ich meinen Lesern natürlich nicht vorenthalten will:

Hmm, also ich finde den Spot in der Tat gut, er ist amüsant, er ist verblüffend und er aktiviert. Man muss in Kommunikationswissenschaften nicht sonderlich bewandert sein, dass die beste Botschaft nichts bringt, wenn einem keiner zuhört und von daher im Grunde bei jedem Kommunikationsmodell am Anfang ein “A” für Attention oder Aufmerksamkeit steht. Kommunikationspsychologisch würde man sagen, es bedarf eines “aktivierenden Impulses”. Diesem Kriterium genügt der Spot definitiv, die “notwendige Bedingung” der Aktivierung ist erfüllt. Aber ist das auch “hinreichend” für gutes Employer Branding?

Was nimmt man denn als Botschaft aus diesem Spot mit?

Axel Springer sucht Mitarbeiter. Okay. Das ist Personalmarketing, kein Branding.

Bei Axel Springer hat “das Thema” eine hohe Priorität, weil sich der gesamte Vorstand Zeit für das Video genommen. Das ist schon mehr Branding, weil sich darin ein Statement “Nachwuchs/Mitarbeiter sind uns wichtig!” verbirgt.

Bei Axel Springer braucht man im Vorstellungsgespräch keine Manieren. Hmm. Generation Y in allen Ehren, aber mir kann wirklich keiner, NIEMAND weißmachen, dass in der Realität ein solches Auftreten erfolgreich wäre. Wenn die Botschaft gewesen sein sollte, dass man bei Axel Springer tolerant ist (das wäre eine Werte- bzw. Branding-Botschaft) und dass man speziell die begehrte Zielgruppe der Digital Natives “so nimmt wie sie ist”, dann ist das okay. Dann MUSS aber die Realität auch dementsprechen, hierzu findet sich im Spot definitiv kein Beweis.

Bei Axel Springer sucht man “Macher” – Entrepreneurs. Joa, das wäre u.U. Branding, wenn es denn der Kultur des Unternehmens auch wirklich entspricht. Allerdings glaube ich kaum, dass das was man dort sieht mit “gutem Unternehmertum” zu tun hat und ich will ehrlich gesagt auch nicht hoffen, dass Unternehmertum bei Axel Springer soo aussieht.

Nochmal, ich finde den Spot gelungen, weil er verblüfft und “überraschend” ist. Employer Branding aber ist etwas Grundlegendes. Es ist die Kunst, der DNA, also dem “inneren Wesen” eines Unternehmens, eine kommunikative Form zu geben. Das geht nur sehr bedingt durch einen Spot, von daher ist dieser Spot auch kein Beispiel für “gutes Employer Branding”. Das nämlich erfolgt “dahinter”. Wenn der aktivierende Stimulus dafür gesorgt hat, dass die Köpfe sich in die Richtung des Unternehmens drehen, dann hat man eine Chance seine Markenbotschaft zu vermitteln. Ob einem das dann gelingt, hängt aber vielmehr davon ab, ob man überhaupt eine konsistente Markenbotschaft hat.

Und: Das ist kein Axel Springer Bashing. Das Unternehmen hat aus meiner Sicht durchaus eine distinkte Arbeitgebermarke (ich war dort ja auch mal tätig). Mir geht es vor allem darum, dass Employer Branding nicht mit Werbung verwechselt wird. Employer Branding kann auch mal “überraschen”, vor allem aber kommt es darauf an, dass es konsistent ist, stimmig die Werte des Unternehmens widerspiegelt und authentisch ist. Dabei muss es nicht immer kognitiv / kopfgesteuert zugehen, es wirkt auch sehr viel durch den Bauch (wir nennen das ja nicht grundlos “Recrutainment”), aber es muss nicht immer “krachen”.

In diesem Sinne freue ich mich auf Diskussionsbeiträge.

Ach ja, wo wir schon so schön beim Youtube-Videos gucken sind, hier nochmal das Introvideo des Commerzbank-Berusforientierungsspiels “Probier dich aus.” Liefert auch keine abschließenden Antworten, aber dafür ist dann ja das Spiel da…

Nachtrag: Die beiden atenta-Chefs Jan und Alex, vielen bekannt als “Wollmilchsau“, haben das tolle Hamburger Wetter genutzt und ihren Diskussionsbeitrag oder besser: ihre Diskussionsbeiträge in Videoform verfasst. Wo wir heute eh schon Youtube-Tag haben, gibt es die Statements hier gleich noch:

9 Gedanken zu „Muss Employer Branding “überraschend” sein?

  1. Hallo Jo,
    auch ich finde den Spot absolut gelungen – aber, da hast Du vollkommen Recht – er genügt eben nur um das Thema ‘anzuteasern’, also Interesse zu erregen. Es ist z.B. vollkommen unklar, was AS unter ‘Machern’ versteht und in welchen Positionen diese ‘Macher’ arbeiten sollen. Oder wie es denn so mit der Unternehmenskultur bei AS aussieht…Schön wäre jetzt, step by step durch Storytelling -> konkrete Informationen zu Themen und Köpfen des Unternehmens an die Zielgruppe zu bringen – die Aufmerksamkeit hätte man jetzt ja. Hier ist aber kein vorkonfektioniertes PR BlaBla gefragt, deshalb kann sowas auch nicht von Werbe- oder PR-Agenturen umgesetzt werden, ich kenne zumindest keine die es kann. Bin mal gespannt was da noch nachkommt!
    VG, Nina

  2. Lieber Jo,

    schöner Artikel. Ich finde den AS Spot ebenfalls witzig und er erreichte eine tolle Reichweite (>40T Klicks bei Youtube in wenigen Tagen).
    Aber: Wie Du schon sagst, finde ich auch, dass dies eher werbend ist, denn eine Aussage zum Employer Brand. Ich finde es durchaus richtig, den Spot auch kritisch zu sehen, denn er macht das Feld für “wilde” Spekulationen und Interpretationen auf. Branding aber soll Fokussieren und zeigen wofür ein Unternehmen steht (oder auch nicht). Das ist bei diesem Video von AS nur bedingt möglich.

    Übrigens: Genau zu diesem Video und seinen Aussagen führen wir bereits eine Diskussion in der HR BarCamp Gruppe auf Xing. Wer bei Xing angemeldet ist, kann´s verfolgen und sich gern einbringen:
    http://tinyurl.com/66x8h3v

    Ciao & Grüße,
    Christoph

  3. Ich denke der Bewerber (bzw. der Clip) bringt es auf den Punkt: “Content is king and the medium is the fucking message!”

  4. Hallo Jo,
    der Artikel passt eigentlich ganz gut zur Diskussion bei Geros ‘saatkorn’ zur Unterscheidung der Begrifflichkeiten (http://bit.ly/ogYNfs). Vielleicht hat Lutz Meyer schlicht was durcheinander gebracht: gutes Personalmarketing kann gerne verblüffen, gutes Employer Branding dagegen muss in erster Linie authentisch und differenzierend sein.
    So wird ein Schuh draus – nicht andersrum.

  5. Gutes Employer Branding soll verblüffen? So die These von Lutz Meyer von Blumberry / Commarco? Der Spot von Axel Springer sei insofern gelungenes Employer Branding? Nun ja, aus der Sicht des Werbers reicht „Verblüffen“ vielleicht schon, um als „Branding“ durchzugehen.

    Der Begriff „Attention“ wurde hier im Beitrag im Zusammenhang mit dem Spot erwähnt. Nun ist „verblüffen“ für mich das erste A der AIDA-Formel. „A“ wie „Attention“. Mehr nicht. Allenfalls das „I“ wie „Interest“. Sicher nicht das D oder das abschließende A. Aber gehen wir mal von der historischen AIDA-Formel weg.

    Geht es um das Verblüffen, dann ist der Springer Spot gut. Geht es um Employer Branding, dann ist er allenfalls der Startpunkt. Witzig allein reicht nicht im Employer Branding, „Verblüffen“ auch nicht. Es geht wie immer im Branding um „Alleinstellung“ und „Abgrenzung“, „eigene Werte und die Werte der Zielgruppen“ und „Authentizität“. Und ja, auch eine Arbeitgebermarke sollte nicht durch den Kopf, sondern durch den Bauch wirken. Das ist ja eben das Kennzeichen einer Marke.

    Positioniert hat sich Axel Springer durch den Spot ganz bestimmt. Aber wie und als was? ;-)

  6. Hallo Herr Diercks,

    Sie haben mich um meine Meinung zu dem Beitrag gebeten. Nina Kalmeyer und die Herren Kommentatoren liegen grundsätzlich richtig.

    Für gutes Employer Branding ist es zweitrangig, ob es “verblüfft”. Für Werbung jedoch essentiell.

    Die Wahl des richtigen Effekts jedoch hängt wesentlich von der Positionierung des Arbeitgebers ab. Die wird von Agenturen häufig gerne ignoriert, noch häufiger gibt es sie – gegenteiligen Beteuerungen zum Trotz – gar nicht.

    Dann wird ein Spot wie der von Springer trotz aller Sympathiepunkte (der gesamte Vorstand und Aufsichtsrat waren anwesend) zwar “funny”, aber nicht wirksam für die Arbeitgebermarkenbildung.

    Ob Personalmarketing von Social Media bis Classic, ob Führungskultur, Organisationsentwicklung, Gestaltung der Arbeitswelt, Recruiting oder Talent Management – gutes Employer Branding stellt alle operativen Instrumente in den Dienst der grundlegenden Markenpositionierung. Sprich: Einer Botschaft, die glaubwürdig profiliert und unterscheidet.

    Employer Branding hat eine strategische, eine konzeptionelle und eine oeprative Ebene. Bei DEBA illustrieren wir das gerne mit dem Bild eines Baums. Identität und Werte sowie Positionierung des Arbeitgebers sind das Wurzelwerk (strategische Ebene). Kommunikationsplanung, Kreativ- und Anwendungskonzepte finden im Stamm des Baumes statt (konzeptionelle Ebene). Die vielen internen und externen Maßnahmen, die zur Umsetzung von Strategie und Konzepten, also zur Etablierung des in der Wurzel einmal definierten Vorstellungsbilds des Arbeitgebers (= Markenbild) dienen, sind das Rauschen im Blätterdach.

    (Das übrigens auch als kleine Klarstellung zu der von Gero Hesse angestoßenen und u. a. von Wolfgang Brickwedde aufgegriffenen Begriffsdiskussion – aus markenfachlicher Sicht erübrigt sich diese Debatte schnell.)

    Passiert das bei dem Springer-Spot? Die Schlüsselfragen können wir von außen schlecht beantworten: Geht es dort so zu? Würden so ein Typ Mitarbeiter tatsächlich etwas verändern können, oder schon in der Probezeit kündigen (gut) bzw. frustriert bleiben (schlecht)?

    Ein Hamburger Verlagshaus, spürbar Sinnbild hanseatischer Ehrbarkeit und Tradition, sagte uns einmal in puncto Employer Branding: Wir wollen die kreativen Onliner, die Screener, das ganze verrückte digitale Volk. Das war gut gemeint, ist für das Unternehmen aber brandgefährlich. Wenn das, was soll, zu weit weg ist von dem, was ist, dann wird das Band der Glaubwürdigkeit schnell überdehnt. Und die digitalen Kreativen im best case enttäuscht, im worst case richtig sauer sein – und davon allen anderen erzählen. Musterunterbrecher landen nicht nur in der französischen Revolution auf der Guillotine.

    Was dem Springer-Spot zugute kommt, ist seine überdrehte Selbstironie. Da muss ein Digital Native schon reichlich Real Naive sein, um zu glauben, dass er ernst gemeint ist. Der Spot kommt im Haus gut an, wie mir ein Springer-Mann jüngst verriet. Insofern wirkt er positiv nach innen. Zumindest auf den ersten Blick.

    Insofern glaube ich, dass der Spot einfach nur ein gutes Werkstück Werbung ist. Viel Sympathie und Aufmerksamkeit. Kein Branding.

    Guten Wochenstart für alle

    Reiner Kriegler

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