Lex Facebook – oder das Screenen von Bewerbern in Sozialen Netzwerken

Angestoßen durch die aktuelle Diskussion um eine neue Gesetzgebung zum Arbeitnehmerdatenschutz haben wir ja vor ein paar Tagen das Thema des Bewerberscreenings in sozialen Netzwerken schon einmal aufgegriffen. Der Social Media Recht Blog hat sich dieses Thema nun aus juristischer Perspektive vorgenommen und geht der “Lex Facebook” ein wenig auf den Grund.

Insb. wird auf das Spannungsfeld zwischen dem “schutzwürdigen Interesse der Person (an ihrer Privatheit)” und dem “berechtigten Interesse des Arbeitgebers (an Informationen über den potentiellen Mitarbeiter)” eingegangen. Interessant ist hierbei, dass der aktuelle Referentenentwurf für das neue Gesetz eine Abwägung zwischen diesen beiden Interessen im Falle von Sozialen Netzwerken, die nicht explizit „zur Darstellung der beruflichen Qualifikation ihrer Mitglieder bestimmt sind“, gar nicht vorsieht. Will sagen: Auf Social Media Plattformen, die der privaten Nutzung / Kommunikation dienen (immer noch die Frage: Wo verläuft die Grenze?”) gilt IMMER das schutzwürdige Interesse – per se. Zählt man also Facebook zu den Plattformen für die private Nutzung, darf ein Unternehmen die dort über einen potentiellen Kandidaten einsehbaren Information gar nicht verwenden.

Nehmen wir also mal den Fall, dass ein Unternehmen eine Karriereseite bei Facebook betreibt und sich dort ein interessierter Kandidat mit einer Frage zum Traineeprogramm meldet. In diesem Fall dürfte das Unternehmen nicht auf den Link zur privaten Facebook-Seite des Interessenten klicken, ja striktgenommen eigentlich noch nicht einmal das Profilbild neben der Frage betrachten, weil das u.U. schon schutzwürdige Privatheit darstellt. Das wäre – überspitzt gesagt – dann in etwa so, als wenn jemand auf einer Bewerbermesse an den Unternehmensstand kommt und sich der anwesende Personaler die ganze Zeit die Augen zuhält, um den Interessenten ja nicht “auszuspähen”. Nun, eine Messe ist per Definition kein Soziales Netzwerk. Aber auch die pauschale Einteilung in “privates” Netzwerk und “berufliches” Netzwerk – also Facebook einerseits und XING andererseits – dürfte in der Praxis viel zu kurz greifen.

Naja, beruhigt bin ich ja zumindest schonmal, weil Arbeitgeber auch weiterhin Eignungstests durchführen dürfen, sofern diese nach wissenschaftlich anerkannten Methoden ablaufen. Das können wir für unsere Tests garantieren, aber Pseudowissenschaften wie der Psycho-Physiognomik oder ähnlichem, bei der die Welt am Sonntag sich letzte Woche leider nicht zu schade war, diesem Thema fast eine halbe Seite zu widmen, dürfte es da schon erheblich schwerer fallen. Und wen speziell dieses Thema interessiert, der werfe mal einen Blick in das Working Paper “Psycho-Physiognomik und NEO-FFI” von Prof. Jürgen Deller und Prof. Werner Sarges.

6 Gedanken zu „Lex Facebook – oder das Screenen von Bewerbern in Sozialen Netzwerken

  1. Der Artikel in der Welt am Sonntag zur Psycho-Physiognomik ist erschreckend. Schöner Werbeartikel für eine Pseudowissenschaft par excellence, peinlich, peinlich. Als nächstes dann Graphologie und Astrologie oder vielleicht Namenspsychologie? Der Autorin Frau Maria Baufeld und der WELT-Redaktion empfehle ich ganz dringend, die Lektüre von Prof. Uwe Kanning zu lesen, hätte im Vorfeld sicherlich nicht geschadet:

    Ein Artikeltipp: “Kanning, Uwe (2010): Schädeldeutung & Co. – Absurde Methoden der Psyhodiagnostik, Skeptiker Heft 3, S. 112 – 119:
    Infos hier: http://tinyurl.com/3ayvvrf oder direkt sein Buch:
    Uwe Kanning (2010): Von Schädeldeutern und anderen Scharlatanen. Unseriöse Methoden der Psychodiagnostik. Pabst Science Publishers, Lengerich u. a.

  2. Ja, das wäre die andere Quelle gewesen, die mir zu diesem Thema eingefallen wäre… Ich war ehrlich gesagt halb-belustigt, halb-erschrocken als ich das in der WELT las. Ich glaube zwar in der Tat, dass es Menschen gibt, die intuitiv eine Gabe haben, Menschen etwas “anzusehen” und deshalb auch eine gute Erfolgsquote bei der Beurteilung haben. Aber das hat nichts mit einer “Methode” zu tun, mit einer wissenschaftlichen schon gar nicht. Und eben solche nicht wissenschaftlichen “Tests” werden es – wenn der neue Gesetzentwurf denn so kommt – tatsächlich (und zum Glück) schwerer haben als bisher…

  3. Hallo Herr Diercks,

    zwischen Menschen etwas ansehen, deren Ausstrahlung auf sich wirken lassen und der Behauptung, dass man anhand der Ohrengröße oder der Stirnausprägung etwas Valides ableiten kann, existiert ein großer Unterschied. Der Einsatz der Schädeldeutung im Personalmanagement ist unethisch und sollte daher mit klaren Worten abgelehnt werden. Es gibt keine plausible, in sich schlüssige Theorie, noch den Hauch empirischer Belege. Lediglich Anekdoten, wie man es von Kaffeesatzlesern und Wahrsagern auch gewohnt ist. Ich bin selbst mal bei einem Vortrag von einer Protagonistin der Schädeldeutertechnik hier in Köln gewesen (war während der Veranstaltung einer großen Jobbörse). Sie hätten mal die Kommentare einiger Personaler in der Pause hören sollen. Es gab gestandene Personaler, die den Vortrag ernst genommen haben. Tja, Grundlagen der Eignungsdiagnostik sind leider noch keine Mindestanforderung für Personaler.

  4. Hallo Herr Schäfer, absolut korrekt. Man ist aber doch immer wieder überrascht, wo diesen Themen immer wieder eine Bühne bereitet wird. Wenn ein Einzelunternehmer so etwas für die Auswahl seiner Mitarbeiter einsetzen will, dann ist das seine Sache (wenngleich vom Ergebnis auch zu hinterfragen). Wenn es aber im Rahmen eines “Auswahlprozesses” in einem Unternehmen als “Methode” eingebaut wird, dann ist das wirklich unethisch und dicht am Kaffeesatz.

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