Authentisches Employer Branding rechnet sich in vielerlei Hinsicht – wissenschaftliche Belege

TeufelchenKlar, alle sind sich einig, dass Arbeitgeberkommunikation – speziell in Zeiten des Web 2.0 – authentisch sein soll. Was “authentisch” ist, darüber lässt sich zwar trefflich streiten (was zuweilen ja auch in den Unternehmen passiert, speziell zwischen HR und der Unternehmenskommunikation…), doch wenn man authentisch als “möglichst dicht an den realen Gegebenheiten” interpretiert, liegt man sicherlich nicht allzu falsch. Das Positive wird genauso gezeigt wie die “Härten”, Inhalte werden “erlebbar” oder “erfahrbar” gemacht – realistisch.

Soweit, so gut. Es ist prinzipiell schon mal gut, dass sich hierüber inzwischen ein Konsens herausgeschält hat. Vielen ist allerdings nicht bewusst oder bekannt, dass es auch sehr handfeste wissenschaftliche Argumente für diese Sicht gibt. Authentisches Arbeitgebermarketing wirkt nämlich nicht nur entlang der Wertschöpfungskette des HR (Branding, Recruiting, Talent Management / Development, Retention, ggf. Alumni-Management), sondern darüber hinaus auch positiv auf andere Unternehmenbereiche und Ziele. Diese wissenschaftlichen Argumente zum Nutzen von “Realistic Job Previews” zu kennen ist sicherlich nicht schlecht, wenn mal wieder jemand den “Jahrmarkt im Himmel” versprechen möchte.

So kommt z.B. die Studie “Working Today: Understanding What Drives Employee Engagement” von Towers Perrin, für die mehr als 35.000 Arbeitnehmer in der USA befragt wurden, zu dem Ergebnis, dass es einen positiven Zusammenhang zwischen der Identifikation mit dem Arbeitgeber und Kostensenkungen einerseits (z.B. durch geringere Fluktuation oder geringere Produktionskosten / weniger Fehler) sowie bspw. einer höheren Kundenzufriedenheit andererseits gibt.

Die Untersuchung “Understanding the People and Performance Link. Unlocking the Black Box” des UK Work and Employment Research Centre berichtet von Einsparungen durch starke Arbeitgebermarken, weil z.B. sorgsamer mit Material und Waren umgegangen wird und etwa die Diebstahlquote sinkt.

2001 wiesen Highhouse und Hoffman nach, dass Personen, die sich vorab ein realistischeres Bild von ihrer potentiellen zukünftigen beruflichen Tätigkeit und Stelle machen konnten, anschließend leistungsfähigher waren und seltener wechselten. (Quelle: Highhouse, S., & Hoffman, J.R., 2001. Organizational attraction and job choice. In C.L. Cooper & I.T. Robertson (eds.), International Review of Industrial and Organizational Psychology, Vol. 16, pp. 37-64. Wiley.)

Noch früher (1998) zeigte die Meta-Analyse “Effects of Realistic Job Previews in Multiple Organizational Outcomes” von Jean M. Phillips, dass durch den Einsatz sog. Realistic Job Previews (RJP), also der hier behandelten “authentischen” Arbeitgeberkommunikation, z.B. der “bewerberseitige Rückzug aus dem Recruitingprozess” reduziert werden kann. Dies dürfte insb. diejenigen Unternehmen interessieren, die häufiger Absagen von ihren Wunschkandidaten bekommen, weil diese sich doch für ein anderes Unternehmen entschieden haben. Ferner zeigte die Meta-Analyse auch, dass durch RJP exaktere Erwartungen an den Arbeitgeber erreicht werden, mit entsprechend geringeren anschließenden Enttäuschungen, weniger Frust und selteneren inneren wie äußeren Kündigungen. Dass all dies eine direkte Ersparnis von Recruitingkosten nach sich zieht dürfte auf der Hand liegen. Dass dabei zudem weniger Geld für die Einarbeitung und Entwicklung neuer Mitarbeiter investiert werden muss, ist wohl ebenso klar.

Der Hewitt-Studie “Talent Supply und Employer Branding 2008” zufolge berichten z.B. 92% der Unternehmen, die Employer Branding einsetzen, dass dieses die Attraktivität des Unternehmens steigert, 69% berichten von einer engeren Bindung der Mitarbeiter an das Unternehmen. Höhere Mitarbeiterzufriedenheit und höheres Engagement nennen 66% und 64% registrieren schnellere Stellenbesetzungen.

Diese Auflistung ist alles andere als vollständig, zeigt aber, dass Employer Branding nun wirklich kein “Marketing-ChiChi” ist, sondern sich der Case auch hart-kaufmännisch rechnen lässt.

Der Einsatz von SelfAssessment Verfahren kann hierbei ein sehr wertvolles Instrument sein. Caliguiri und Phillips haben dies in der Untersuchung “An application of self-assessment realistic job previews to expatriate assignments” bspw. für die Entsendung von Mitarbeitern ins Ausland nachgewiesen. Laumer, von Stetten, Eckhardt und Weitzel kommen in der Untersuchung “Online Gaming to Apply for Jobs the Impact of Self- and E-Assessment on Staff Recruitment“, die sich auf die Gruner+Jahr Applikation “CyPRESS” bezieht,  zu dem eindeutigen Schluss: “The case study of our papers shows that companies can generate more qualified applications and concurrently save time and money.”

Hierbei ist aber natürlich bei allen Maßnahmen wichtige, ja zwingende Voraussetzung, dass Kommunikation und Realität auch wirklich zusammen passen, also wirklich “authentisch” kommuniziert wird. Sonst heisst es nachher doch wieder “Yesterday we were recruiting you; today you´re staff…

2 Gedanken zu „Authentisches Employer Branding rechnet sich in vielerlei Hinsicht – wissenschaftliche Belege

  1. Hallo Joachim,

    das interessante an dem Ganzen ist ja, dass das alles nicht neu ist, sondern vor allem in den Staaten bereits seit den 40er/50er Jahren erforscht wird. Zunächst unter dem Aspekt, welche Kriterien ein Arbeitgeber erfüllen muss, damit er 1. attraktiv ist und 2. sich die Mitarbeiter wohl fühlen (im Sinne von weniger Fluktuation, mehr Identifikation, Weiterempfehlungsbereitschaft usw.). Diese Thematik fand sich dann später gemeinsam mit dem Realistic Job Preview und der Theorie des kritischen Kontakts in den Forschungen zum “Person-Organization Fit” (und heruntergebrochen im “Person-Job Fit” wieder.

    Im deutschen Sprachraum hat man auf diesen Feldern kaum geforscht – wenn dann kann man hier Lutz von Rosenstiel, Nerdinger und Erika Spieß evtl. noch heranziehen, die sich soziologisch-psychologischen Aspekten der Arbeitsmotivation und -zufriedenheit gewidmet haben, aber insofern relevant für das Employer Branding und den “Person-Organization Fit” sind, als dass sie die Übereinstimmung der individuellen Werte mit den Werten eines Unternehmens als wichtiges Element in der Arbeitgeberwahl ansehen.

    Ich glaube, erst Teufer und Simon haben das um 1999 wieder ansatzweise aufgegriffen und nun zum Teil auch Petkovic (2008). Persönlich schade finde ich, dass es zu diesen ganzen Themenfeldern kaum wissenschaftlich fundierte, deutschprachige Forschungsergebnisse gibt. Es gibt zwar viel Praxisliteratur mit Best Practices zum employer Branding, aber wenig empirisches oder auch rein wissenschaftlich-theoretisches.

    Also, um es kurz zu machen: Diese Themen sind alle nicht neu, aber nichts desto trotz hoch interessant und es gibt hier noch so viel Forschungspotenzial, dass es mir in den Fingern kribbelt, eine Dissertation darüber zu schreiben!

    Viele Grüße
    Dominik (alias silberschweif)

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