Gastbeitrag von Dwight Cribb: Der Schritt in Selbständigkeit ist nicht für jeden das richtige. Oder: Die ersten zehn Absagen tun nicht weh.

Die Leser des Recrutainment Blogs kennen das ja schon: In losen Abständen kommen hier externe Experten als Gastautoren zu Wort. Grundsätzlich gilt dabei zwar natürlich, dass diese ihre eigene Meinung vertreten und dass diese Meinung nicht zwingend mit unserer übereinstimmen muss. Im aktuellen Fall kann ich mir diesen Hinweis aber sparen, trifft der Einwurf meines alten Weggefährten Dwight Cribb, Gründer der Dwight Cribb Personalberatung und Urgestein der Online-Szene, doch absolut auf den Punkt. Oft genug begegnet einem ja diese Einstellung: “Das bisschen Selbständigkeit, das kann ich auch!”

Nun, warum der Schritt ins Unternehmertum eben doch nicht für jeden das richtige ist, dazu mehr von Dwight. Dwight: Deine Bühne!

Dwight_CribbDer Schritt in Selbständigkeit ist nicht für jeden das richtige. Oder: Die ersten zehn Absagen tun nicht weh.

In der Beratungspraxis erleben wir es häufig, dass erfolgreiche und erfahrene Manager erwägen, sich selbständig zu machen. Dies geschieht in den allermeisten Fällen in Zusammenhang mit einer notwendig gewordenen beruflichen Neuorientierung. Dabei scheint es unerheblich, ob ein Vertrag ausgelaufen ist oder vorzeitig von einer von beiden Seiten gelöst wurde.

Auf den ersten Blick erscheint der Wunsch nach Selbständigkeit für diese Personengruppe logisch. Wer erfolgreich Untenehmen für Dritte geführt hat, jedes Jahr bei den Gesellschaftern eine satte Rendite abgeliefert hat, der mag den Wunsch verspüren, dies fortan auf eigene Rechnung zu tun. Fraglich ist jedoch, ob dies tatsächlich die Motivation ist und ob ein Manager den gleichen Erfolg hat, wenn er sein eigenes Unternehmen führt.

Zunächst ist mir aufgefallen, dass nur wenige Manager aus einer Situation der Stärke heraus eine unternehmerische Aufgabe in Erwägung ziehen. Wenn aber eine notwendige – oder notgedrungene – Neuorientierung bevorsteht, wächst die Bereitschaft hierzu stark an. Meines Erachtens liegt dies in den meisten Fällen an der Angst vor Ablehnung und Misserfolg, die manche Menschen lähmt und dazu führt, dass sie sich über Monate nicht oder zu wenig bewerben. Erfolgsverwöhnte Manager, die in ihrer regulären Tätigkeit selten oder nie auf offene Ablehnung stoßen, fürchten sich dann davor sich zu bewerben und Absagen zu bekommen.

Die Selbständigkeit erscheint vielen in dieser Situation als idealer Ausweg. Ein Beruf mit Prestige auf den man sich nicht bewerben muss … Viele der so geplanten Selbständigkeiten zielen in Richtung eines Dienstleistungsberufs, denn große Ideen und Pläne sind hier meist nicht im Spiel, es geht darum sein eigenes Wissen und Können zu vermarkten und weniger darum ein Unternehmen aufzubauen.

Die Zahl der in Frage kommenden Sparten, die einerseits vom Erfahrungshintergrund als Führungskraft profitieren und andererseits ein ausreichend gutes Auskommen ermöglichen, ist überschaubar. Je nach persönlicher Erfahrung und Präferenz erscheinen den meisten Engagements als Unternehmensberater, Personalberater, Coach, Relocation Agent, Interim Manager oder Trainer als beste Option.

Leider geht dieser Schritt in die Selbständigkeit in den allermeisten Fällen schief. Denn eins vergessen viele Gründer, die härteste und nachhaltigste Ablehnung kommt häufig vom Markt. Sich jeden Tag aufs Neue zu motivieren, potenzielle Kunden anzurufen und sich und seine Dienstleistung anzubieten, das ist deutlich anstrengender und bringt meist viel mehr Ablehnung und Misserfolg als der härteste Bewerbungsprozess. Das Fatale ist, dass dies in der Regel nicht sofort offensichtlich ist, denn Familie, Freunde und enge Geschäftskontakte sind meist für ein paar Aufträge gut. Hier sind die persönlichen Stärken bekannt, das Vertrauen besteht bereits und so fällt die Akquise leicht. Wenn dieses Netz aber erst einmal leer gefischt ist, dann bleiben Aufträge aus und die Angst vor dem eigenen Misserfolg bewahrheitet sich.

Wer dazu schnell Abstand gewinnen kann und seine Lehren daraus zieht wird als Rückkehrer in die Managementriege von dieser Erfahrung profitieren und fortan sein eigenen Stärken und Schwächen besser einschätzen können. Wer aber die Erfahrung nicht so leicht abstreifen kann, bleibt leicht auf der Strecke und wird es dauerhaft schwer haben an vormalige Erfolge anzuknüpfen.

Sind also alle Gründungen zum Scheitern verurteilt? Nein, auf keinen Fall. Aber man muss sich fragen, warum man den Schritt in die Selbständigkeit wagt. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass es etwas anderes ist, sich selbst zu verkaufen als ein Produkt oder die Leistung eines anderen. Man benötigt daher ein sehr gesundes Selbstvertrauen und hohes Selbstwertgefühl, um sich und sein Unternehmen erfolgreich zu vermarkten.

Wer also als Manager erfolgreich ist und sich überlegt, eine Selbständigkeit zu beginnen, sollte sich fragen, aus welchen Motiven heraus er dies tut. Es ist auf keinen Fall der leichtere Weg oder der Weg des geringeren Widerstands. Außerdem sollte er sich fragen, wie gut seine Verkäufereigenschaften ausgeprägt sind. Dies ist nicht zu verwechseln mit Vertriebsmanagement, Vertriebscontrolling, Vermarktung, Business Development, Key Account Management oder ähnlichem. Ich meine, können Sie wirklich verkaufen und sind Sie in der Lage anderen zu vermitteln, warum sie genau Sie und Ihre Leistungen kaufen sollen? Und zwar ohne dabei innerlich rot zu werden und ohne Sonderangebote zu machen, sondern mit voller Überzeugung und zum vollen Preis? Wenn ja, dann freuen wir uns Ihr Unternehmen bald am Markt begrüßen zu können. Wenn nein, dann sollten Sie lieber mit uns über Ihre nächste Herausforderung sprechen. Und: Die ersten zehn Absagen tun nicht weh.

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